Propeller, SPW

Die Bavaria 40 Ocean hatte beim Kauf einen Festpropeller aus Aluminium Original Volvo. Entweder er lief im Fahrtstrom mit und drehte das Getriebe,  oder er wurde mit dem Einlegen des Rückwärtsgang am Drehen gehindert, was aber bremst. 

Daher der Entschluss, es muss ein Faltpropeller oder ein anderes strömungsgünstiges Antriebsrad unter den Rumpf.

Da wir bei der Maxi999 sehr gute Erfahrung mit einem "Variprofile" von SPW in Bremen gemacht haben, wollten wir mit den Leuten von SPW auch über einen Propeller für die Bavaria 40 Ocean fachsimpeln. Auf der Hamburg Boat Show 2019 hatten wir uns mit Frau Drebing verabredet, um uns beraten zu lassen.

Am Ende stand dann die Bestellung eines 4 -flügeligen Variprop Drehflügelpropeller, mit neu entwickeltem Flügelprofil.

SPW  Vari Prop GP 107 LH-SD

Durchmesser 18" (450mm)

Steigung voraus 14"

Steigung zurück 12"

Saildriveanschluß M16x2

BauNr. 107GP.4.864.19

Als Berechnungsgrundlagen dienten die Daten unseres Antriebs:

Motor Volvo Penta MD22L, 50 PS bei 3000 U/min, Saildrive 120S, Gesamtuntersetzung 2,19 : 1, Drehrichtung links (LH)

Gewicht 10t, LWL 10,95m


Der bisherige 3-Blatt Alupropeller von Volvo Penta. Nur eine Saison von August 2017 bis Oktober 2018 in Kroatien gelaufen und in 2019 in der Ostsee


Nach dem Anstrich des Drehflügelpropellers mit Velox wurde der Variprop am Saildrive montiert.  

Variprop GP, Einbausituation


Funktionsweise des SPW-Variprop

Link auf die Animation der Funktionsweise des Drehflügelpropellers von der Web-Site von SPW

Vibration in Segelstellung

Der Propeller spricht spontan an, bewegt das Boot vorwärts wie rückwärts wie er soll und auch die Drehzahl und der Schub sind  im Erwartungsbereich. Alles klasse! Wir sind zufrieden.

Erstes Motoren schleiabwärts zur Ostsee läuft prima. Hinter dem Leuchtturm Segel hoch, Kurs einstellen, Motor aus, kurz mit Rückwärtsgang blockieren, Prop in Segelstellung, Autopilot an und entspannen. 

 

Ein Vibrieren aus dem Rumpf macht sich im Cockpit bemerkbar. Es könnte vom Mast kommen. Die Kontrolle zeigt aber, dass der Mast nicht zittert. Ursache Ruder? Auch negativ. Unter Deck, am Ruderquadranten auf Schwingung vom Ruder her gecheckt ergibt, dass die Vibrationen nicht von hier kommen. Beim Gang aus der Achterkajüte, am Motorraum vorbei, nach vorn zum Niedergang wird die Vibration stärker spürbar und hörbar. Ein Blick in den Motorraum zeigt die Schüttelquelle: Der Antrieb, Saildrive und Motor wackeln auf ihren Lagern und regen das ganze Boot zum Vibrieren an. Frequenz gefühlt/geschätzt wie eine Motor im Leerlauf. Also ca. 900 min-1  / 60sec/min =  15 mal pro Sekunde also um 15Hz. Mehr oder weniger. Oft schneller.

Wenn der Propeller nach dem Ausschalten des Motors in "Neutral" durch kurzes Einlegen des Rückwärtsganges in Segelstellung gebracht wird, die Flügel sich parallel zur Strömung ausgerichtet haben und alles prima glatt laufen sollte, treten bei der Skokie sehr starke Vibrationen im Antrieb auf, die im ganzen Rumpf zu spüren sind und im Motorraum sichtbar und laut hörbar werden. Die Ursache ist zur Zeit noch ungeklärt.


Wir haben das Boot aus dem Wasser gekrant, um zu untersuchen, ob irgendetwas nicht ordnungsgemäß ist. Ob alle Schrauben fest sind, sich keine Angelsehne in den Flügeln verfangen hat, sich alle Flügel sauber drehen lassen. 
Wir kamen auf die Idee, zu versuchen nach einer Rückwärtsfahrt den Motor zu stoppen und dann zu blockieren. Dies sollte bewirken, dass zwischen Schubstellung der Flügel und Segelstellung kein zu überwindener Bremspunkt der Flügeldrehung ist. Hier haben wir aber völlig falsch vermutet, da wir die Drehrichtung des Propeller falsch herum angenommen hatten. Mit dieser Idee im Kopf, die auf falschen Annahmen beruhte, setzten wir das Boot wieder ins Wasser. Wir hatten bei der Untersuchung SPW aus Bremen per Skype auf das iPhone dazu geschaltet und haben uns mit Ihnen über die Variante, den Motor aus Rückwärtsfahrt zu stoppen und dann den Propeller in Segelstellung zu bringen besprochen. Es war ein Trugschluss. Dennoch hatten wir mit dem Slippen die Erkenntnis, dass alles so montiert ist, wie es sein soll und es keine Schäden gab.

Dennoch ergab die nächste Segelprobe, dass der Antrieb weiterhin vibrierte, wenn der Propeller die Flügel strömungsgünstig in Segelstellung gedreht hat.

Juli 2020

Das Vibrieren des Antriebs ist immer noch vorhanden.

Ich habe noch einmal mit SPW Kontakt aufgenommen, um gemeinsam nach einer Lösung zu suchen. Da auch diese Firma von Kurzarbeit durch Corona betroffen war, dauerte es ein paar Tage. Aber dann meldete sich Frau Adamczyk und wir sind noch einmal ganz in Ruhe die Symptome und möglichen Ursachen durchgegangen. Da wir Falschbedienung und andere Fehler wirklich ausschließen konnten, und es keinen anderen Rat gab, bot sie uns an, einen 3-Blatt Propeller  anstelle des 4-Flüglers auszuprobieren. Gern haben wir das Angebot angenommen und 4 Tage später war ein tip top verpackter, nagelneuer Variprop GP 107 mit drei Flügeln bei uns zu Hause. Wir hatten verabredet, dass wir den 4-Flügler in der gleichen Verpackung aus Kappeln nach Bremen zurücksenden, damit dieser untersucht werden kann.

Am Montag, 27.7.2020 haben wir um 14:00h den Kran bei Mittelsmanns gebucht.


Montag 27.7.2020, Kappeln, Mittelsmanns Werft 

Wir haben also die Skokie ein zweites Mal ausserplanmäßig aus dem Wasser heben lassen, um einen 3-blättrigen Drehflügelpropeller gegen den 4-Blattpropeller zu tauschen. Das Werkzeug liegt bereit, die Handgriffe gehen schnell von der Hand. Der 3er ist in 20 Minuten befestigt, der 4er gesäubert, getrocknet im Versandkarton, der zur Post gebracht wird, um ihn bei SPW noch einmal durchmessen zu lassen. Skokie geht wieder ins Wasser und wir treten unseren dreiwöchigen Urlaubstörn an. Zeit genug den Prop ausgiebig zu testen. 


Schwingt auch  :(

Leider tritt das unerwünschte Symptom des Drehflügelpropellers auch bei der Dreiblattversion auf. Gefühlt, subjektiv vielleicht nicht so stark, scheinbar treten Pausen zwischen einzelnen Sets auf. Aber die Vibration in Segelstellung schüttelt weiter durch den ganzen Rumpf. Bedienung nach Anleitung: Motorfahrt, Stopp, Motor aus, Segeln, Rückwärtsgang zum blockieren der Welle, Flügel drehen in Strömungsrichtung, nach knapp 1 Minute fängt der Antrieb an zu wackeln. 
Mist. Ein neues Video haben wir im Motorraum gedreht. Deutlich sind die Vibrationen am hinteren Lager zu sehen. 

Was jetzt? Unterwasseraufnahmen? Wie? Wir beraten uns mit der Geschäftsleitung von SPW. Ein Tausch der Aggregatelager soll noch ein Versuch sein. Die dämpfen zwar nur die Schwingung und verhindern nicht die Anregung von aussen, aber eventuell gerät der Antrieb nicht in Resonanz. Und nach 19 Jahren dürfen die Aggregatelager durchaus einmal getauscht werden.

Ich wende mich also an Fa. Kiesow in Kappeln, damit die sich für den Tausch der Lager ein Bild machen können.  (5.9.2020)

 

Oktober 2020

Das hintere Gummilager wurde getauscht. Gespannt wollen wir noch vor der Fahrt ins Winterlager eine Probefahrt machen.

Leider und auch wie erwartet hat die Erneuerung des Lagers keine Besserung gebracht. Ist doch das Gummi des Lagers auch neben der Abstützung nur zur Dämpfung von etwaigen Stößen da. Die Schwingung wird eindeutig von Aussen durch die Anströmung des Saildrive und des Propellers erzeugt. Will sagen, das Lagergummi kann nur die Anregung von aussen dämpfen, aber nicht verhindern. Die Anregung bleibt. Auch wenn sie mit anderer Lagerung nicht durchgestellt werden würde.

 

Frau Adamczyk von SPW und ich telefonieren regelmäßig und beraten uns, was die Ursache sein könnte und welche Massnahmen ergriffen werden können. Beide sind wir an der Lösung des Problems interessiert. Es ist eine sehr kooperative Atmosphäre. Niemand macht irgendjemanden Vorwürfe oder verhält sich unfair. Das erleichtert die Suche nach der Ursache, die wir aber noch nicht gefunden haben. Wir beschließen H. Keinberger von Fa. Kiesow aus Kappeln noch einmal hinzu zuziehen, wenn das Schiff aus dem Wasser ist. Er schaut sich die Installation auch gern und bereitwillig an, kann aber so an Land und augenscheinlich auch nichts feststellen, was auf Turbulenzen oder Ursachen der Schwingung hindeuten könnte.

Auch ein Tweet im Segelforum bringt keine Ideen.


Winterlager 2020/21

Wir haben aus Furcht vor einem neuen großen Corona Lock Down beschlossen, die Skokie etwas eher aus dem Wasser zu nehmen. Am 20. Oktober hängt sie am Kran, wird gewaschen und anschließend in die Halle gefahren. Motoröl ist gewechselt, Kühlwasser mit Frostschutz gefüllt, das Trinkwassersystem abgelassen und ebenfalls mit Frostschutzmittel gespült.

Zeit sich um den Propeller zu kümmern. Am 7. November hab ich das erstemal Zeit nach Kappeln zu fahren und nach dem Rechten zu sehen.

Alles sieht normal aus. Der Propeller steht in Segelstellung, ein Flügel im Windschatten des Saildrivefuß im Totwasser.

Was das Video zeigt ist die breite Hinterkante des Kiels. Da der Kiel auch die Aufgabe hat, eine hydrodynamische Seitenkraft bei möglichst geringem Zusatzwiderstand zu erzeugen, um die von den Segeln produzierte aerodynamische Seitenkraft (Krängungskraft) auszugleichen, sind Kiele profiliert. Hier kommen jetzt die Tiefen des Ingenieurstudium in der Strömungsmechanik mit Reynoldszahl, überkritische und unterkritische, kinematische Zähigkeit des Wassers, und NACA-Profilen zum Tragen. Das können nur Fachleute. 

Aber was mir auffällt ist, dass die Hinterkante des Kiel schon sehr dick und etwas platt ist und nicht spitz wie bei einem Flugzeugflügel ausläuft. Im letzten Jahr 2019/20 bei der Osmosesanierung wurde hier am Kiel laminiert, gespachtelt und geschliffen. Da ist die Geometrie des Kiels schon verändert.

 

Ein Gang in die Nachbarhalle zum 38er Schwesterschiff Karina aus Marina Minde zeigt, dass dort die Hinterkante viel schmaler ist als bei der Skokie. Kann das die Ursache von Turbulenzen sein, die den Saildrive samt Propeller und Antrieb so in Schwingung versetzen?

Geht die Umströmung des Kiels, durch die jetzt breite, nicht mehr spitz zulaufende Hinterkante des Kiels im oberen Teil (auf Höhe des Saildrive) in so starke Turbulenzen über, dass diese auf die Propellerflügelfläche harte und rhythmische Impulse auslösen? Wäre eine Theorie.

Schwesterschiff Bavaria 38 Ocean aus Marina Minde mit schmalerer Hinterkante des Kiels


Wir haben das Internet abgesucht und einige Funde gemacht, die bei der Erklärung helfen können. Vieles zur Theorie von Strömungen an und um Körper. Einiges zur Grundlagen der Strömungsmechanik. Z.B.: Airfoils, also Tragflächenprofile, werden nicht über die ganze Länge laminar umströmt. Bei Winkeländerungen zum Strom (attack-angle alpha) entstehen Turbulenzen schneller auf der Oberseite, der Unterdruckseite. Ein Kiel ist wie ein Flugzeugflügel profiliert.

 

Klar wird auch nach vielen Diskussionen, dass die Ursache nicht allein beim Propeller zu suchen ist. Ob die Schwingung aber eliminiert wird, wenn statt des Drehflügelpropeller ein Faltpropeller montiert wird, wäre noch zu klären. Diesen Versuch haben wir mit SPW noch als letzte Lösung verabredet. Der Faltpropeller sitzt etwas weiter hinten und hält weniger Fläche in den Strom wenn er eingeklappt ist.

Jetzt wollen wir im Winter aber den Turbulenzen auf den Grund gehen. Und darum forschen wir bei breiten Kiel-Hinterkanten (trailing edge) und Saildrives, die zu dicht an Hinterkanten des Kiels angebracht sind, weiter.
Hierzu eröffnen wir ein neues Kapitel: "Strömung an Kiel und Saildrive".

 

Fa. Wrede hat übrigens, nachdem ich sie sehr freundlich und ohne Schuldzuweisung auf die Möglichkeit der verfälschten Form der Kielhinterkante aufmerksam gemacht habe und um Beteiligung an der Lösung des Problems gebeten habe, jegliche Verantwortung von sich gewiesen, und sofort den Vertrag zitiert, dass sie sich zwar Mühe geben die Rumpfformen nachzustellen, aber nicht zur Verantwortung gezogen werden können, wenns schief geht.

Bei der Osmosereparatur im Februar 2020 wurde der Kiel in die neuen Laminatschichten des Rumpfs mit einbezogen und bis ca. 50 cm unter den Rumpf in die Gewebebeschichtung integriert. Fa. Wrede nennt das Kiel-Connect. Anschließend wird gespachtelt und geformt. Es ist möglich, dass dabei die Hinterkante des Kiels durch den Auftrag zu breit und stumpf geworden sein könnte, was einen anderen Abriss der Strömung an der Hinterkante des Kiels erzeugt, als eine spitz auslaufende Kante.

Am Tag nach der Info von mir, dass etwas mit dem Kiel nicht stimmen könnte, bekam ich aber noch einen Anruf von Wrede, dass man sich mit einem Yachtkonstrukteur (wer?) besprochen habe und einen sinnvoll erscheinenden Versuch vorschlagen möchte. Auch das soll im Kapitel "Strömung an Kiel und Saildrive" besprochen werden.