Position MickMoon
Sonntag, 26.1.2025, 12:00 UTC
N 27°44.788' W 015°37.196'
Puerto Pasito Blanco, Gran Canaria

Das Steuern mit der Notpinne gelingt immer besser, ist aber ganz schön anstrengend. Wir wechseln uns im Stundentakt ab. Unsere Müdigkeit dringt nicht weit nach vorn ins Bewusstsein, weil wir noch zuviel Adrenalin in uns haben. Dennoch versuchen wir uns abwechselnd auszuruhen. Wir müssen genau gegen an. Gegen Welle und gegen den Wind. Wenn wir die Segel setzen würden, müssten wir kreuzen. Das bedeutet noch höheren Ruderdruck, der mit der Pinne zu halten wäre und auch eine längere Strecke. Wir bleiben bei Motorfahrt, ohne Segel. Es sind noch 20 Stunden vor uns bis wir das nächste Land erreichen können, mit einer Nacht durch fahren.
Der Trawler, der mit 2kn Fahrt mit uns auf Kollisionskurs lag, Funkrelais gemacht hat und uns auch seine Hilfe angeboten hatte, liegt inzwischen weit achteraus. Zum Glück wird uns Gran Canaria später Windschatten und Wellenlee bieten. Der Wind kommt aus nördlicher Richtung. So bekommen wir keinen schlimmen Seegang ab. Der Hafen Pasito Blanco ist der uns am nächsten gelegene. El Hiero oder La Gomera wären Alternativen mit etwas längerer Strecke, aber die Inseln hätten sicher nicht so gute Möglichkeiten zur Reparatur und Ersatzteilbeschaffung. Insofern bleiben wir auch Nordkurs, um Pasito Blanco zu erreichen.
Gegen Abend meint Volker, wir sollten den zweiten, unabhängigen Autopiloten doch einmal ausprobieren. Da dieser jedoch direkt mit einer Kette auf das Steuerrad, bzw. auf die gemeinsame Welle des Steuerrads zugreift, und wir über das Steuerrad das Boot nicht auf Kurs halten können, winke ich ab: Das hat doch gar keinen Sinn! Wenn das Rad das Boot nicht steuert, dann kann der zweite Autopilot das auch nicht. Beide nutzen die gleichen Steuerkabel zum Ruderquadranten, um zu steuern. Volker besteht aber auf einem Vesuch. Der Autopilot arbeitet, das Rad dreht sich heftig von links nach rechts, immer viele Umdrehungen auf einmal. Aber irgendwie schafft es der elektrische Autopilotmotor über die Antriebskette den Kurs des Boots ganz gut zu halten. Mit viel Drehen, gleicht er scheinbar ein übergroßes Spiel in den Kabeln aus. Der zweite Autopilot scheint tatsächlich irgendwie einsetzbar. Regelmässig verliert er zwar den Kurs und muss wieder neu eingestellt werden. Wir müssen aber jetzt nur noch die Steuerarbeit überwachen und nicht mehr mit eigenem starken Arm die Pinne halten. Wie lange wird das gut gehen? Wir kommen auf jeden Fall damit durch die Nacht, was eine immense Erleichterung ist. Ganz klar, was hier technisch vor sich geht, ist uns das nicht. Aber wir nehmen jede Erleichterung gerne an.
Ab und zu kommen stärkere Böen und die MickMoon stampft sich in Wellen fest. Dann läuft das Boot besonders schnell aus dem Kurs. Unsere Buglaterne, die rotes und grünes Licht ausstrahlt, beleuchtet gespenstisch die am Bug aufspritzende Wellengischt. Wir melden uns alle sechs Stunden bei Radio Palmas, dem MRCC, per Telefon und berichten, dass es uns gut geht und wir gut voran kommen. Nach unserer Berechnung müssten wir mit 5kn jetzt morgens, um kurz vor 7h vor der Marina sein. Da ist es jedoch noch dunkel. Im Dunkeln wollen wir nicht in den Hafen und wir brauchen Hilfe mit einem kleinen Bugsierboot. Deshalb beschließen wir, kurz vor dem Ziel unsere Fahrt zu verlangsamen, um mit Tageslicht in die Marina gehen zu können.
Ein paar Seemeilen vor Pasito Blanco liegt ein vollbeleuchteter Containerfrachter in unserem Weg. Laut AIS soll er langsame Fahrt nach Westen machen. 1,6kn. Sein Bug zeigt aber nach Osten. Hm, das passt nicht richtig zusammen. Eigentlich sieht er der Größe nach wie ein Kreuzfahrtschiff aus. Als wir näher kommen erkennen wir jedoch, dass die vielen Lichter leere beleuchtet Containertürme auf dem Deck sind. Von der Brücke des Schiffs werden wir von einem grünen Laserstrahl angefunkelt. Sie wollen unsere Aufmerksamkeit. Per Funk werden wir darauf hingewiesen, dass er am Anker mit ca. 1 kn nach Westen driftet und wir bitte einen Abstand von mindestens 300m einhalten sollen, damit er uns permanent im Radar halten kann. Wenn wir näher kommen, kann er uns nicht mehr erkennen. Klar machen wir das und halten den gewünschten Abstand. Jetzt noch ein Kollision wäre nicht das Richtige. Wir fahren einen großen Bogen um den Frachter herum. Das klappt ganz prima mit dem schwer arbeitenden Autopiloten.
Mit den ersten Sonnenstrahlen erreichen wir die Bucht von Pasito Blanco. Wir haben immer noch den Großbaum nach Backbord gelascht, mit Schot und Bullenstander. Auch der Spibaum ragt noch nach Steuerbord 4m über die Decksseite. Wir gehen vor Anker und lassen das Geschirr stehen. Auf 6 m Tiefe und Sandgrund fällt der Rocna Anker und gräbt sich zuverlässig bei 1800 Umdrehungen der rückwärts drehenden Maschine ein. Fest! Angekommen! Stille! Keine Welle, laues Lüftchen in dieser Leebucht. Geschafft. Todmüde fallen wir in unsere Kojen und schlafen.
Kommentar schreiben
Christel (Sonntag, 02 Februar 2025 19:08)
Bin ich froh, dass ihr so erfahren seid. Ganz schöne Belastungsprobe für die junge Crewpaarung. Vielleicht aber genau richtig vor dem großen Hüpfer?!
Jens (Montag, 03 Februar 2025 21:34)
Liebe Christel, der emergency mode hat wirklich gut geklappt, kein Problem.