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Abfahrt

Position MickMoon

Donnerstag, 23.1.2025, 18:00 UTC

N 28°57,8‘  W 13°32,3‘

Südlich Fuerteventura 

Heute um 0700h aus der Koje. Ich habe kaum geschlafen in der Nacht. Müslifrühstück. 

Dann das Boot klar zum Ablegen machen. Müll weg bringen, noch schnell Gebäck und drei Joghurts im Hafensupermarkt kaufen. Die Bootsnachbarn vom Steg J versammeln sich sachte alle am Heck von MickMoon. Die Sonne  strahlt die Morgenfrische zur Seite. Kurze Hose und T-Shirt sind jetzt passende Kleidung. Deck aufräumen und im Salon alles seefest verstauen. Schuhe statt barfuß. Der Motor wird gestartet. Das Bauchgefühl ist immer noch ein wenig mulmig. Aber es mischt sich mit Aufbruchfreude. 

Dann die Spring los. Herzliche Umarmungen auf dem Steg: Fair Winds and following seas! Thanks for all your support. Have a good journey! Mange tak for afton. It was a pleasure to meet you. Stay safe! Passt auf Euch auf. Wir folgen Euch auf dem AIS Schirm. 

Achterleine los und ein, klar bei Vorleine. Volker kuppelt ein und MickMoon legt langsam vom Steg ab. Leinen ein. Alle Winken, Handys filmen den Abschied. Eine Schiffshupe tutet am Steg ein paar mal laut. Wir winken zurück. Es ist ein ganz besonders herzlicher Abschied und wir freuen uns, dass er uns und unserer Fahrt auf die Kapverden gilt. Dann die Fender einholen und verstauen. 

Ein riesiger TUI Kreuzfahrtdampfer liegt an der Pier. Hinter der Hafeneinfahrt ist das Meer ohne Welle still. Kaum Dünung, keine Windwelle. Wir motoren mit Kurs 190°. Nur langsam fällt die Anspannung ab. Vieles findet für mich auch jetzt weiter zum erstenmal statt. Ich kenne das Boot noch nicht gut genug. 

Wir informieren unsere Liebsten am Telefon über das Verlassen von Lanzarote und geben unsere überschwängliche Stimmung an Vera und Andrea weiter.  

Fotos werden getauscht und gepostet, solange noch Internet verfügbar ist. Die Starlinkantenne ist bereits auf den „Hochseetarif“ umgestellt und der rechnet jeden Gb einzeln ab. Deshalb sind Hintergrundaktivitäten und Fotosynchronisation  auf den Handies und Tabletts um Datenverkehr zu sparen ausgeschaltet. 


Wir ziehen unseren Kurs nach Südwest mit 5,5 Knoten Geschwindigkeit. Glatte See macht das Eingewöhnen leicht und die Seebeine haben ausreichend Zeit langsam zu wachsen. Nachdem das vorgeschmierte Brot aufgegessen ist, findet mein Bauch auch endlich Ruhe. Jetzt geht’s mir gut und ich kann die Seeluft und die Bootsbewegungen genießen. Irgendwann lege ich mich im Salon hin und versuche etwas Schlaf nachzuholen. Aber unter „gemütlich Dösen“ sinkt mein Aktivitätslevel nicht ab. Also wieder hoch und schauen, was im Cockpit so los ist. 


Wir erzählen und machen uns einen Kaffee. 

Gegen 1800h fängt Volker an, einen Auflauf im „Omnia“ zu kochen. Der Omnia ist eine Art Gugelhupfform mit Deckel, in der man so ziemlich alles auf einem Gasherd kochen oder backen kann. 

Der Auflauf wird auch sehr lecker. Der Zusatz an Ingwer ist für mich ein neuer Geschmack, aber lecker. Ingwer soll auch die Seekrankheit lindern. 


Als wir fertig gegessen haben, tönt um 1900h aus dem Lautsprecher des UKW Funkgeräts der Anruf der Küstenfunkstelle Fuerteventura. „Sailing Yacht MickMonn, Sailing Yacht MickMoon, what is your Position“. Das Vokabular und der spanische Akzent ist für mich ungewohnt und ich kann am Funk nur schwer verstehen, was man von uns möchte. 

Es geht um Flüchtlingsboote, Migrantboats. Wir mögen eine Position anfahren, die etwas 5 Seemeilen von uns querab liegt und nachsehen, was da los ist. (€Miami Vice mode an) „Please proceed 90°  to your Portside“. Oft müssen wir die gewünschte Position erneut abfragen, weil die Umrechnung von Dezimalgrad in Grad+Minuten+Sekunden nicht gleich gelingt und die Eingabe der Suchposition in den Plotter völlig ungeübt ist. Irgendwann haben wir es. Wir sollen 5nm seewärts fahren und scharf Ausschau nach Flüchtlingsbooten halten. Wir sollen uns melden, wenn wir etwas sehen. Inszwischen ist es dunkel und es ist überhaupt nichts mehr zu sehen. Wir werden mit dem MRCC Las Palmas verbunden und man bittet uns den Kurs beizubehalten und nach Lichtern zu suchen. 

Irgendwann entdecken wir etwas unregelmäßig Blinkendes direkt voraus. Das Licht ist schwach und nur selten auszumachen. Die Entfernung können wir nur sehr schlecht abschätzen. Wir berichten die Beobachtung an das MRCC. Dann sind die Lichter aber wieder weg. Wir werden gebeten zu einer anderen neuen Position zu fahren, 3nm zurück nach Nordost, von wo wir herkommen. Klar machen wir und nach einer Viertelstunde entdecken wir wieder einige unregelmäßig blinkende Lichter. Darunter auch grün und rot. Ganz schwach. 

Ob es Handys sein können die geschwenkt werden? Ja, schon. Aber genau ist das nicht zu erkennen. 

Ob wir so etwas wie Gummiboote erkennen können? Nein das können wir nicht. Nur blinkende Lichter in der dunklen Nacht. Viele. 

Und ob wir auf dem Radar etwas ausmachen können? Oh Mist. Unser Radar ist  gar nicht an.

Irgendwann löuft es und wir fuchsen uns schnell in die Bedienung ein. Zum Glück habe ich auf der Nebelfahrt von Simrishamn nach Bornholm im letzten Jahr alle Funktionen ausgiebig geübt. So klappt die Radarbedieung ganz gut. Aber wir können nur kleine Krümel auf dem Schirm in einer halben Seemeile Entfernung entdecken. Nichts eindeutiges. 

Wir sollen weiter darauf zu halten. Scheinbar sind die Blitzlichter aber schon sehr nahe. Doch mit unseren Scheinwerfern können wir nichts weiters erkennen. 

„Wir schicken ein Rescueboat zu eurer Postion“. 

Ok. Wir reduzieren unsere Geschwindigkeit und ändern den Kurs etwas nach Backbord, um keines der blinkenden Lichter über den Haufen zu fahren. Besser mit Abstand dran vorbei und dann einkreisen. 

Nur langsam nähert sich der SAR Kreuzer. Auf unserem AIS mit 9 Knoten. Er hält auf unseren Bug zu und wird vor uns durchfahren. Es blinken immer mehr Lichter. Wenn, dann sind es mindestens vier Migrantsboats. Komisch trotzdem. Das SAR Boot erreicht unsere Stelle und MRCC Las Palmas als Szene Coordinator hebt unsere Beteiligung auf. Bedankt sich zweimal für unsere Kooperation und entlässt uns auf unseren ursprünglichen Kurs. Es könnte auch ein unbekanntes Fischernetz sein, wird in fließend Englisch mit dem spanischem Akzent vermutet. Wir drehen um und bedanken uns, dass sie uns zu Hilfe gerufen haben. Lange sehen wir noch das gelbe Blinklicht des SAR Boots an der Stelle. 

Auf jeden Fall ist jetzt professionelle Hilfe Vorort und kann alles weitere veranlassen. 

Erleichtert setzen wir uns ins Cockpit. Inzwischen ist es 2100h. 2 Stunden haben wir nach Flüchtlingsbooten gesucht. Das Wetter ohne Welle war sicher einladend gewesen, um in einem Gummiboot von der afrikanischen Küste auf die kanarischen Inseln in die Europäischen Union zu gelangen. Hier ist der geographische Abstand am geringsten. 


Weiter geht unsere Fahrt in die Nacht. Wir wollen uns beeilen, da ist wir möglichst weit auf dem Weg nach Mindelo vorwärts kommen wollen, bevor der ungemütliche Teil dieses Abschnitts beginnt. Das soll in der Nacht vom 27. auf den 28. Januar dann passieren. 




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